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Ferran Adrià

Der Katalane Ferran Adrià ist einer der renommiertesten Köche weltweit. Seine innovativen Kreationen setzten Maßstäbe und ließen ihn zu einer Koryphäe auf dem Gebiet der Molekulargastronomie werden. Heute ist er Träger dreier Michelinsterne, wurde mehrfach zum besten Koch der Welt gewählt und besitzt vier Ehrendoktortitel. Ferran Adrià hält Vorlesungen an bedeutenden Universitäten, wie der Harvard University, ist Autor diverser Kochbücher und sieht sich selbst als fortschrittlichen Avantgardekoch.

Der Anfang von Ferran Adrià

Zunächst deutete allerdings nichts auf eine große Karriere als Koch hin. Ferran Adrià wurde in einfachen Verhältnissen als erstes von zwei Kindern im Frühjahr 1962 in der Nähe von Barcelona geboren. Nach Beendigung der Schule sollte er eine Kaufmannsausbildung mit anschließendem Wirtschaftsstudium absolvieren, gab diesen Plan aber schnell wieder auf. Vielmehr lag ihm an einer Reise nach Ibiza, für die er in einer Hotelküche als Tellerwäscher zu arbeiten begann. Ohne es zu wissen, legte er damit den Grundstein für seine außergewöhnliche Laufbahn.

Innerhalb kürzester Zeit stieg er zum Hilfskoch auf, diente als Schiffskoch während seiner Zeit beim Militär und schaffte es, bereits mit 21 Jahren zum Chefkoch des „El Bulli“ ernannt zu werden. Dieses stand seiner Zeit unter der Leitung von Juli Soler, der das Talent erkannte und Ferran Adrià europaweit in verschiedenen Spitzenrestaurants weitere Erfahrungen sammeln ließ. Ohne abgeschlossene Ausbildung kochte er anschließend mehrere Jahre auf höchstem Niveau für das „El Bulli“, bevor er begann, die Kochkunst und deren Möglichkeiten mit anderen Augen zu sehen.

Die Grundlagen der Molekulargastronomie von Ferran Adrià

Die Geburt der molekularen Küche fand bereits in den 50er Jahren statt, trat jedoch erst in den 90er Jahren vollständig in den Vordergrund. Die neue Idee fokussierte sich auf die Möglichkeiten, mit den unterschiedlichsten chemischen und physikalischen Prozessen Gerichte zu optimieren beziehungsweise den Geschmack einzelner Lebensmittel zu intensivieren. Die jeweiligen Aromen sollten dabei erhalten bleiben und nicht verfälscht werden. Die Molekularküche war und ist ein Balanceakt zwischen Natürlichkeit, Reinheit und der gleichzeitigen künstlichen Schaffung neuer Produkte.

Molekularköche beachten genauestens die Beschaffenheit der einzelnen Lebensmittel und nehmen sie dabei in einem gänzlich anderen Licht war. Sie spielen mit dem Einfluss von mechanischen Reizen, Temperaturveränderungen oder der Zugabe von diversen Additiven. Sie kombinieren Gegensätze wie heiß und kalt oder süß und salzig und überraschen einfach durch ungewöhnliche Geschmackserlebnisse.

Chefkoch

Chefkoch ©iStockphoto/Kondor83

Der Beginn einer Leidenschaft

Nachdem Ferran Adrià fast fünf Jahre im „El Bulli“ an der Aufwertung der spanischen Küche gefeilt hatte, startete auch er 1993 mit solch gewagten Experimenten. Den Auftakt machte sein „Espuma“, ein ungewöhnlicher Rauchschaum, dem nach und nach unzählige weitere Kreationen folgten. Insgesamt waren es 1.846 ausgefeilte, anspruchsvolle und komplexe Gerichte, denen Ferran Adrià Gestalt gab. Er vollendete das Gefriertrocknen, verwendete hochmoderne Techniken aus der Medizin und hantierte mit Kunstnebel. Es machte ihm Freude, Lebensmittel in ihre Bestandteile aufzuspalten und ihnen anschließend eine gänzlich andere Form zu geben. Die Sphärisierung, eine Form des Gelierens, bei der eine feste Hülle mit noch flüssigem Kern entsteht, wurde dabei seine bekannteste Spezialität.

Ferran Adrià selbst sah seine Küche als eine neue Sprache in der Esskultur. Fast schon philosophisch betrachtete er die Produkte und das, was er daraus entwickelte. Er war und ist Perfektionist und plant noch heute bis in das kleinste Detail.

Wirkungsstätte von Ferran Adrià

Als Ferran Adrià das in einer abgelegenen Bucht der Costa Brava gelegene „El Bulli“ 1983 zum ersten Mal betrat, existierte es bereits seit über zwanzig Jahren. Ein deutscher Arzt hatte das spätere Weltklasserestaurant 1961 zunächst als Strandbar eröffnet und es nach einer Bulldogge seiner Ehefrau benannt. Innerhalb weniger Jahre wurde es immer beliebter, geschätzt und sogar mit zwei Michelinsternen ausgezeichnet.

Doch erst die Küche von Ferran Adrià machte das nördlich von Barcelona gelegene „El Bulli“ über die Grenzen Spaniens hinaus bekannt. Fünfmal in Folge wurde es unter seiner Leitung zum besten Restaurant der Welt ernannt, das in Spitzenzeiten mehr als zwei Millionen Reservierungsanfragen pro Saison erhielt. Selbst Köche rissen sich darum, im „El Bulli“ eine Anstellung zu erhalten. Hunderte Bewerbungen erreichten Ferran Adrià und nicht selten wurde ihm sogar eine entgeltfreie Arbeit angeboten. Allein die Erwähnung des „El Bulli“ im Lebenslauf war vielen Köchen bereits Lohn genug.

Jedes Jahr präsentierte Ferran Adrià im „El Bulli“ eine neu kreierte Menüfolge aus etwa 30 bis 35 Gerichten, deren Preis in der Regel mehrere Hundert Euro pro Person erreichte. Ein halbes Jahr intensivster Arbeit ging einer solchen Menüfolge voraus. Anfänglich waren es meist mehrere tausend Ideen, die auf dem Tisch landeten. Doch nur wenige überstanden die hohen Ansprüche und überlebten die experimentellen Versuche des professionellen Kochteams aus dem „Bullilabor“. Ferran Adrià fungierte vor allem in den letzten Jahren oft nur noch als Regisseur. Er legte Produkte und Techniken fest, schmeckte ab und gab das endgültige OK.

50 Gäste, insgesamt etwa 8.000 pro geöffnetem Halbjahr, kamen anschließend in den Genuss dieser Köstlichkeiten der Haute cuisine. Sie erlebten im „El Bulli“ ein außergewöhnliches Gesamtkunstwerk, bei dem sowohl Teller und Besteck als auch die Inneneinrichtung exakt mit der Menüfolge abgestimmt wurden. Ferran Adrià setzte zudem auf eine ausgefeilte Lichtinszenierung und bezog sogar die musikalische Begleitung in sein „Kunstwerk“ mit ein.

Ein Wendepunkt

Mehrere Jahre arbeitete Ferran Adrià auf dem Zenit seines Erfolges. Seit Mitte der 90er Jahre war er bereits in Deutschland bekannt, ein Artikel im New York Times Magazine im Jahr 2003 brachte ihm dann den internationalen Durchbruch. Ferran Adrià dankte es mit hartem aber auch begeistertem Einsatz. Im Sommer 2011 setzte der Sternekoch dann aufgrund dieser hohen Belastung einen Schlussstrich und stellte den Betrieb im „El Bulli“ ein. Für die Öffentlichkeit möchte er seither nicht mehr kochen und plane dies laut eigener Aussage auch nicht mehr in der Zukunft.

Untätig ist Ferran Adrià heute allerdings nicht. Seine Träume und Ideen sind nach wie vor zahlreich, gehen nun aber in andere Richtungen. In seinem neuen „Bullilab“ im Herzen von Barcelona arbeitet er derzeit mit einem kleinen Team an der Erstellung von „Bullipedia“. In dieser umfangreichen und zugleich einmaligen Datenbank möchte Ferran Adrià sämtliche Informationen zusammenfassen, die für die Gastronomie wichtig sind. Hierzu werden Zubereitungsmethoden, spezielle Rezepte, Kochutensilien und auch eine vollständige Lebensmittelkunde zählen. Die Gastronomie ist in den Augen von Ferran Adrià eine eigenständige Wissenschaft, die ebenfalls ihr eigenes Nachschlagewerk benötigt.
Auch eine Ausstellung in Madrid möchte er seiner Wissenschaft und der Geschichte des Kochens und der Gastronomie widmen. Es ist aktuell sein zweites großes Projekt, für welches er bereits über Jahre Rezepte und Küchengeräte gesammelt hat.

Selbst das „El Bulli“ ist zwischenzeitlich wieder geöffnet. Eine Stiftung, die von großen und bekannten Unternehmen gesponsert wird, ermöglicht dort talentierten Gastronomen und Köchen das Umsetzen und eine Testphase von neuen Konzepten und Ideen. Ferran Adrià sieht das „El Bulli“ heute als eine Art Denkfabrik, die die Zukunft des Kochens verändern kann.

Der jüngere Bruder

Albert, Ferran Adriàs Bruder und gelernter Konditor, war seit Mitte der 80er Jahre ebenfalls Teil des Teams im „El Bulli“. Er verließ jedoch den Betrieb im Jahr 2008 und eröffnete anschließend in der Altstadt von Barcelona eine Tapasbar. Zwischenzeitlich ist er Inhaber von fünf Restaurants, weitere sind bereits in Planung. Im Schatten seines großen Bruders steht er schon lange nicht mehr. Vielmehr besticht nun er mit exzellenten Kochkünsten, die denen im „El Bulli“ in Nichts nachstehen.

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